Hintergrund

Im Rahmen des Forschungsprojektes Deliberative Diets erarbeitet ein Rat bestehend aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern aus der Region St. Gallen, Empfehlungen für die Zukunft des Schweizer Ernährungssystems.

Der physische und soziale Raum für das Zusammenkommen des Rates wird von Forschenden des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) und Kunstschaffenden des Kollektivs UVO bereitgestellt. Über einen Zeitraum von drei Monaten kommt der Rat mehrfach zusammen um sich in einem deliberativen Prozess mit dem Schweizer Ernährungssystem und dessen Herausforderungen auseinander zu setzen. Durch die Auseinandersetzung mit sorgfältig ausgewählten Informationsmaterialien und Fachinputs und gemeinsamer Diskussion, durchläuft der Rat einen Prozess der Meinungsbildung, entwickelt Visionen für eine zukunftsfähige Ernährungsweise der Schweiz und leitet darauf basierte Empfehlungen ab.

Auf dieser Seite wird der konzeptionelle und wissenschaftliche Hintergrund des Rates für Ernährung vorgestellt, sowie auch die Mitwirkenden, die das Projekt möglich machen und begleiten.

Der deliberative Prozess

In einem deliberativen Prozess wird ein öffentliches Anliegen durch den Austausch von Ansichten, Erfahrungen und Wissen behandelt. Dies bildet die Grundlage für das Treffen von Entscheidungen, wobei das allgemeine Wohl im Fokus stehen soll. Deliberative Prozesse können als Werkzeug in der demokratischen Entscheidungsfindung eingesetzt werden, indem Bürgerinnen und Bürger aktiv an politischen Diskussionen teilnehmen, um gemeinsam Probleme zu identifizieren und Lösungen zu finden.

Über den Zeitraum von März bis Juni 2024 beschäftigen sich im Kanton St. Gallen zwei deliberative Räte mit dem Thema Ernährung. Über sechs Veranstaltungen hinweg erarbeiten zwei Gruppen aus jeweils zehn Teilnehmenden Visionen für eine zukunftsfähige Ernährungsumgebung der Schweiz und leiten darauf basierte Empfehlungen ab. Die Treffen finden in Lichtensteig statt.

Deliberation im Detail

Deliberation bedeutet auf Deutsch so viel wie „Beratschlagung” oder „Überlegung”. Zu deliberieren ist demnach ein Prozess, der uns im Alltag immer wieder begegnet, zum Beispiel beim Abwägen eigener Entscheidungen oder beim Treffen von Gruppenentscheidungen. Ein wichtiger Aspekt deliberativer Prozesse ist das Identifizieren des „besten Arguments” für eine bestimmte Empfehlung oder Entscheidung. Dies bedingt eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem behandelten Anliegen, Reflexion und den Austausch mit Anderen. Im Laufe dieses Prozesses werden so verschiedene Positionen gehört, ausgewertet und dadurch gut begründete Meinungen und Entscheidungen geformt, die dem Allgemeinwohl dienen. Ein deliberativer Prozess bietet somit einen Rahmen, in dem ein Denken und Reflektieren über individuelle Interessen, Ansichten und Erfahrungen hinaus gefördert wird. Um solche Umstände zu schaffen, werden deliberative Prozesse neben dem Austausch zwischen Bürger:innen zumeist auch von sorgfältig ausgewähltem Informationsmaterial und Inputs von Fachpersonen begleitet.

Ablauf des
deliberativen Prozesses

Kurz zusammengefasst

  1. Auswahl der Teilnehmenden

  2. Gruppenbildung

  3. 6 Treffen zum Diskutieren, Austausch mit Expert:innen, Meinungsbildung und Visionieren

  4. Feedback von Expert:innengremium und Entwickeln finaler Empfehlungen

Ablauf der Treffen
des Rates

Der Rat für Ernährung des Deliberative Diets Projektes durchläuft einen Prozess mit sechs Etappen, wie hier als Roadmap illustriert. Für jede der Etappen wird hier eine Übersicht gegeben. Posts mit lebendigen Eindrücken von den verschiedenen Veranstaltungen sind hier verlinkt:

Kickoff Inputs Exkursionen Visionen Feedback Empfehlungen

Im März 2024 treffen die zwei deliberativen Räte für Ernährung zur ersten Veranstaltung, den „Kick-Off” Treffen zusammen. Hier lernen sich die Teilnehmenden kennen und erhalten einen wissenschaftlichen Gesamtüberblick über das Thema und die Herausforderungen des Ernährungssystems. Im Fokus des ersten Treffens steht das Entwickeln erster Visionen für die Zukunft des Ernährungssystems.

Beim Entwickeln dieser Visionen, wie auch im gesamten Prozess der deliberativen Räte, stehen der Dialog zwischen den Teilnehmenden und mit verschiedenen Fachpersonen im Mittelpunkt. Der dadurch resultierende Meinungsbildungsprozess wird durch eine professionelle Moderation, vielfältige Methoden und die sorgfältige Planung und Durchführung der Veranstaltungen bestmöglich unterstützt. Besonderes Augenmerkt wird darauf gelegt, den Stimmen aller Teilnehmenden gleichermaßen Raum zu geben. So zeichneten die Teilnehmenden während des ersten Treffens mithilfe eines „Ernsten Spiels” (Serious Game) in Kleingruppen ein Zukunftsbild, bei dem utopisches Zukunftsdenken explizit erwünscht war.

Im Fokus des zweiten und dritten Treffens steht der Kontakt mit verschiedenen Perspektiven und Themen rund um das Ernährungssystem. Dadurch werden die Teilnehmenden beim Denken und Bedenken von relevanten Faktoren der Ernährungszukunft, über den eigenen Tellerrand hinaus, unterstützt. Beim zweiten Treffen - den „Inputs” - erhalten die Teilnehmenden Informationen von verschiedenen Fachpersonen zum Ernährungssystem. Es wird sowohl eine wissenschaftliche Perspektive auf „Wege in die Ernährungszukunft der Schweiz” und die Handlungsempfehlungen des Bürger:innenrates für Ernährung aus dem Jahr 2022 gegeben, als auch die Perspektive der Schweizer landwirtschaftlichen Praxis auf die Herausforderungen des Ernährungssystems beleuchtet. Daneben wird auch der internationale Agrarhandel durch einen Fachbeitrag besprochen.

Danach wagen die Bürger:innen während zwei Exkursionen auf landwirtschaftliche Betriebe einen Einblick in die landwirtschaftliche Praxis in der Region. Ausserdem bietet ihnen ein Informationsbuch von landwirtschaftlichen Produzenten aus dem Ausland Einblick in die Realitäten der Nahrungsmittelproduktion in Ecuador und Südspanien. Das Informationsbuch wurde im Rahmen des Forschungsprojekts Deliberative Diets entwickelt.

Die zweite Hälfte des Deliberationsprozesses steht ganz im Zeichen der gemeinsamen Meinungs- und Visionsentwicklung, auf Basis derer sich der Rat am Ende auf konkrete Handlungsempfehlungen festlegt. Während des vierten Treffens ergänzen die Teilnehmenden ihre gemeinsam geschaffene Vision für die Zukunft des Ernährungssystems und entwickeln erste Ideen für Massnahmen. Zum fünften Treffen gibt ein Team von Expert:innen Rückmeldung zu den entwickelten Ideen und es besteht die Möglichkeit weitere Fragen zu klären. Darauf folgt eine finale Runde des Abwägens und Konkretisierens von Empfehlungen während des letzten Treffens im Juni. Der Rat für Ernährung wird mit einer finalen Abstimmung über den Massnahmenkatalog abgeschlossen.

Begleitende Forschung

Der Rat für Ernährung wird wissenschaftlich vom FiBL begleitet. Das Augenmerk der begleitenden Forschung liegt darauf, die Auswirkungen deliberativer Prozesse auf die Meinungsbildung der Teilnehmenden nachzuvollziehen. Eine detaillierte Beschreibung der Datensammlung und Forschungsthemen werden nach den Treffen des Rates für Ernährung auf dieser Seite veröffentlicht.

Mitwirkende

Organisator:innen

Der Rat für Ernährung ist Teil des Projekts Deliberative Diets - Connecting producers and consumers to value the sustainability of Swiss food system scenarios. Der Rat für Ernährung wird von einem Kernteam aus Forschenden des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) und Kunstschaffenden des Kollektivs UVO organisiert und durchgeführt. Das Kernteam steht im Austausch und Absprache mit Forschenden des FiBL, die an anderen Teilen des Deliberative Diets Projektes arbeiten.

Teilnehmende

Die Teilnehmende sind 19 interessierte Bürger:innen aus dem Kanton St. Gallen und Umgebung, die verschiedene Bezugspunkte zum Thema mitbringen und eine Bandbreite soziodemographischer Charakteristika vertreten. Die Teilnehmenden wurden über verschiedene Organisationen und Vereine, die sich in der Region St. Gallen mit dem Thema Ernährung beschäftigen, eingeladen. Sie sind die Hauptakteur:innen des Rates für Ernährung.

Externes wissenschaftliches Gremium

Der Rat der Ernährung wird von einem externen, unabhängigen Gremium begleitet. Dieses gibt Rückmeldung zu Prozessdesign, überprüft die Auswahl von Materialien und Beiträgen und macht ergänzende Vorschläge diesbezüglich. Das externe Gremium besteht aus Alexandra Gavilano (Citizen’s Democracy), Prof. Dr. Johanna Jacobi (ETH Zürich), Dr. Stefan Mann (Agroscope) und Daniel Seifert (Biovision).

Finanzierung

Das Projekt wird finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF).